Auf LogoLängst überfällig war es, dass die Politik über wichtige Themen in unserer Stadt berät. Es hat sich einiges verändert. Der neue Rat ist von 66 auf 88 Stadtverordnete gewachsen, der Ratsaal neu aufgestellt und mit Corona-Schutz für alle versehen. Die Besuchertribüne war etwas voller als sonst, vier Besucher von AUF verschafften sich einen Eindruck.

AUF ist seit 1999 kontinuierlich im Rat vertreten. Im Gegensatz zu vielen anderen kleineren Gruppierungen, die wie Sterne aufstiegen und verschwanden, ist AUF wieder mit einem Sitz dabei. Neu in den Rat kamen „Die Partei“, „Tierschutz hier!“, die FDP. Die Grünen haben 11 Sitze, die Linke drei Sitze, WIN drei Sitze, die SPD ist deutlich verkleinert, aber mit der CDU verbandelt in der neuen GE-“Groko“, mit einer komfortablen Stimmenmehrheit ausgestattet. Ein Lichtblick ist: die faschistoiden Vertreter vom rechten Rand von FAG (früher Pro NRW) sind nicht mehr dabei. Gut für Gelsenkirchen!

Bitter ist, dass die AfD mit 11 Stimmen vertreten ist. Wir haben vor dem Hans-Sachs-Haus dagegen energisch protestiert. Von den anderen Ratsmitgliedern reihte sich keiner ein. Die Grüne Ratsfraktion zeigte Flagge, indem sie sich für ein paar Minuten mit Abstand von uns aufstellte mit einem Transparent „Menschenrechte statt rechte Menschen“.

Die Pressemitteilung „AUF Protest gegen AfD“ über den Protest ist hier nachzulesen.

Erster Höhepunkt der Ratssitzung war die Vereidigung der neuen Oberbürgermeisterin, die Wahl von Frau Rudowitz/SPD und Herrn Wöll/CDU als Bürgermeister/in und die Verpflichtung der Stadtverordneten.

Frau Welge nutzte die Gelegenheit, um auf die kommenden Jahre einzustimmen. Sie warb für bestmögliche Bildung, zukunftsträchtige Arbeitsplätze, für die ökologische Transformation in den Bereichen Mobilität, Wirtschaft und Energie, für das Zusammenleben inden Gelsenkirchener Nachbarschaften und Stadtteilen. Ihr Wunsch: kritisch und konstruktiv zusammenzuarbeiten, „mit Freude an der Arbeit und mit Respekt voreinander, in einer angenehmen und freundlichen Atmosphäre zwischen allen demokratischen Parteien und Kräften“. AUF Gelsenkirchen ist offen für eine schöpferische, sachliche und streitbare Zusammenarbeit, fest orientiert an den Interessen der Menschen in unserer Stadt, ohne antikommunistische Ausgrenzung und auf Augenhöhe – und wird sie fördern und einfordern.

Trotz höchster Aktualität – Antrag von AUF zu Corona abgelehnt

Es war genau richtig, dass wir das Thema – trotz feierlichen Charakters dieser ersten Sitzung - für die Tagesordnung beantragt haben. Aber der Ältestenrat hatte schon alles eingefädelt, den TOP nicht zu behandeln. Wo käme man auch hin, AUF-Anträgen zuzustimmen?! Der Schachzug war, dieses Thema unter Mitteilungen und Anfragen zu platzieren, mit einem Bericht des Gesundheitsdezernenten Herrn Wolterhoff. Ali Akyol/WIN übte Kritik, dass AUF ausgebootet wird. Denn über Corona wird die Politik auf Telefonkonferenzen und im Ältestenrat informiert – ohne die Einzelmandatsträger.

Jan Specht argumentierte für den Antrag: „AUF hat diesen Tagesordnungspunkt beantragt, weil der Rat nun seit einem halben Jahr nicht getagt hat. In der Folge hat es über einen langen Zeitraum keine politische Diskussion gegeben in den politischen Gremien über die Situation in Gelsenkirchen in der Corona-Pandemie, über zu treffende Maßnahmen und das Krisenmanagement. Diese Diskussionen beginnt sich erst mit der Explosion der Neuinfektionen in der dritten Welle zu beleben, hätten aber in den Schulferien und auch im Kommunalwahlkampf geführt werden müssten. Wir sehen in den USA und auch in anderen Ländern, wie die Infektionswellen sich aufeinander auftürmen. Dem muss unbedingt Einhalt geboten werden. Bei allen Bemühungen seitens der Verwaltung, der Mitarbeiter der Stadt, des Gesundheitswesens und vieler anderer muss man sagen, dass die Probleme nicht gelöst sind. Es gibt eine ganze Reihe von berechtigten Kritiken an bisher getroffenen Maßnahmen und Strategien, die sich auch auf eine Überlastung des Gesundheitsamts auswirken. Zugleich aber auch eine gefährliche Verharmlosung bis hin zur Leugnung nicht zuletzt durch die AfD. Insofern würde ich eine offenen Debatte auch bei dieser ersten, feierlichen Ratssitzung sehr begrüßen. In den Bezirkssitzungen gab es ja auch schon Gesprächsbedarf.“

Was Herr Wolterhoff später unter dem TOP Mitteilungen berichtete, war überwiegend schon bekannt. Die wirklich wichtigen Fragen wurden leider nicht diskutiert, kein Wort zur Schulpolitik. Es bestand echt Bedarf, Fragen zu stellen, Antworten zu bekommen. Dazu war dann kaum Raum, nach Meinung von AUF ein glattes Eigentor. Dabei gibt es viele Fragen. Und harte Fakten: Dazu zählt ein empfindlicher Gewerbesteuereinbruch. Statt geplanter über 100 Millionen Euro sind es jetzt gerade mal 30 Millionen.

AUF Gelsenkirchen klar für Livestream der Ratssitzungen ...

Die Fraktion von Bündnis90/Grüne zog dann aber ihren Antrag zurück, damit er gut vorbereitet im nächsten Jahr hoffentlich umgesetzt wird. Wir hatten das auch in den vergangenen Jahren unterstützt. Bislang hatten vor allem SPD und CDU das abgeblockt. Jetzt wurde die weitere Umsetzung einstimmig beschlossen, wird sind gespannt!

AfD provoziert mit Antrag

Eine Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags in Wien, so lautete der AfD-Antrag. SPD, CDU, Grüne und FDP beantragten zusammen, das abzusetzen. Jan Specht bezog für AUF Position: „Das gibt uns einen Vorgeschmack darauf, was uns die nächsten fünf Jahre erwartet: Inszenierung und Provokation, um eine fremden-, Islam-und flüchtlingsfeindliche Stimmung zu schüren. Wir von AUF Gelsenkirchen haben heute vor der Ratssitzung draußen vor dem Hans Sachs Haus eine Schweigeminute für alle Opfer von Terroranschlägen im vergangenen Jahr eingelegt. Für uns spielt es keine Rolle, welche Religion dafür missbraucht wurde, um solche schrecklichen Taten zu rechtfertigen. Solche Attentate wie das in Wien sind Ausdruck einer faschistischen Weltanschauung. Man sollte nicht vergessen, dass sehr viele Menschen, die zu uns gekommen sind, vor genau solchen faschistischen Terror geflohen sind.“ Jan Specht ließ sich aber auch nicht zur Ablehnung eines Gedenkens an die Opfer von Wien provozieren und enthielt sich bei der Abstimmung, wie auch „Die Partei“ und „Tierschutz hier!“ Alle anderen bis auf die AfD selbst stimmten für Absetzung – die AfD war in dieser Frage klar isoliert. Einige in der AfD-Ratsfraktion entpuppen sich schon jetzt als besonders rechte Scharfmacher. Insgesamt ist ein klarer Kurswechsel zu erkennen – weg von der weitgehenden Inaktivität, wie man sie von bisherigen AfD-Ratsmitglieder kannte, hin zu sich präsentieren und mitreden. Auffällig war, dass die AfD die CDU kritisierte, dass sie von ihr Standhaftigkeit abweichen würde, sie bezog sich dabei zweimal auf Herrn Heinberg. Das verspricht noch spannend zu werden.

Ausschüsse werden größer, teurer – nicht effektiver

Es gab einen Tagesordnungspunkt, wo die Ausschüsse und die Anzahl der Ausschussmitglieder festgelegt wurden. Hier zeigte sich auch, dass es SPD und CDU nicht so ernst meinten mit einer respektvollen Zusammenarbeit. Die Vorlage kam erst wenige Stunden vor der Sitzung, was eine gründliche Befassung damit verhinderte. Im vergangenen Jahr hatten sie sich das noch regelmäßig gegenseitig vorgeworfen...
Jan Specht hatte klare Argumente: „Ich bin gegen eine weitere Vergrößerung der Ausschüsse,da dies eine unnötige, kostensteigernde Ausweitung bedeutet und vornehmlich dazu dient, die SPD und die CDU mit zusätzlichen Ausschusssitzen zu versorgen. Es macht bei überhaupt keinen Sinn, weil meist eh nur ein oder zwei Leute sprechen. Also warum die Ausschüsse jetzt so unheimlich aufblähen auf 21 bzw. 17 Mitglieder statt wie vorher 15? Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, dass wieder sachkundiger Einwohner von Ratsgruppen oder Einzelmandatsträgern in die Ausschüsse entsandt werden können. Wir haben diese demokratische Möglichkeit immer gern und initiativ in Anspruch genommen. Außerdem kritisiere ich ausdrücklich, dass der Wirtschaftsausschuss umbenannt wird und das Wort der Beschäftigungsförderung wegfällt. Unter Beschäftigungsförderung verstehen wir der Kampf zur Verteidigung der Industriearbeitsplätze, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und überhaupt, dass diejenigen die Werte produzieren wichtig sind und nicht die Wirtschaft, die davon profitiert.“ Ergebnis der Abstimmung ist, dass außer den bisher bestehenden zwei neue Ausschüsse gebildet werden: der Verkehrs- Bau und Liegenschaftsausschuss wird in zwei Ausschüsse getrennt wird, und neu ist ein Ausschuss für Ordnung, Prävention und Verbraucherschutz.

Jan Specht stellte für AUF drei Anfragen, erstens ob es Kenntnisse in Gelsenkirchen gibt zu rechten Netzwerken in der Polizei, zweitens zur Nachfolgenutzung des Küppersbusch-Geländes, was für die Arbeiter und Anwohner von großem Interesse ist. Als drittes eine Anfrage zur Lenin-Statue. „Da die erste dazu von der Stadtverwaltung nicht vollumfänglich beantwortet wurde, habe ich hierzu noch folgende Fragen: Wie hoch waren die Ausgaben für die Veranstaltung »der Kommunismus in seinem Zeitalter« am 21 August 2020?" Da platzte Herrn Oehlert von der CDU der Kragen, er ließ sich zu einer antikommunistisch motivierten Anfrage hinreißen, wieviel denn die Schweigeminute gekostet hätte beim Protest vor der Ratssitzung? Wieviel die Beantwortung der Anfrage kosten würde? Er schwenkte dannnoch um mit der Bemerkung, man könne die Anfrage beantworten oder sie auch launig betrachten ...

Bis zum Jahresende liegt noch viel Stoff in der Ratsarbeit: über 200 Seiten Vorlagen warten am 3.12.2020 allein in der öffentlichen Sitzung ab 11 Uhr im Hans-Sachs-Haus. Am 17.12.2020 wird der Haushalt eingebracht – ein vorweihnachtliches und sicher nicht zu kleines Päckchen.