1. Gelsenkirchen ist eine von zwei Städten in Westdeutschland, in der die AfD eine Mehrheit bei den Zweitstimmen erreicht hat. In den bundesweiten Medien sind daraufhin viele Artikel und Fernsehbeiträge erschienen, die sich an einer Analyse versuchen und zum Teil Lügen und Erzählungen der AfD einfach weiter transportieren. Dazu wollen wir einiges klarstellen:
2. Rund 30.000 Menschen in Gelsenkirchen haben die AfD gewählt. Nicht jeder AfD-Wähler ist ein Faschist, aber er muss sich klar darüber sein, dass er eine faschistische Partei wählt. Die höchsten Anteile hatte die AfD in Scholven und Erle-Süd. Zwei Stadtteile, deren Ausländeranteil deutlich niedriger ist als im ganzen Stadtgebiet, die aber stark von Arbeitslosigkeit und Vernachlässigung geprägt sind. Es ist der AfD also zu einem Teil gelungen, Arbeiter, arme Menschen unterschiedlicher Nationalitäten gegeneinander aufzuhetzen. ABER: gleichzeitig haben 80% der Wahlberechtigten nicht AfD gewählt. Antifaschistische Parteien wie MLPD und Linke haben ihr Wahlergebnis deutlich verbessert gegenüber der letzten Bundestagswahl.
3. In der Sendung vom 25.2.2025 zählte Markus Lanz eine ganze Reihe von Problemen auf, die es in Gelsenkirchen gibt: die hohe Quote an Schulabbrechern, die niedrigere Lebenserwartung oder die Armut. Alles richtig, aber dann macht er die Zuwanderung von Geflüchteten, Migrantinnen und Migranten und besonders die aus Rumänien, Bulgarien zugewanderten Roma zu Hauptschuldigen für die Probleme der Stadt. WDR-Lokal-Chefredakteur Sinan Sat zitiert am 26.2.2025 lange Passagen von Markus Lanz. Insgesamt stellt er so die Wahl der AfD durch mehr Gelsenkirchener als erklärt dar. Aber ohne eine Wort der Kritik an der faschistischen AfD ist das eine indirekte Rechtfertigung ihrer Wahl. In Gelsenkirchen leben rund 13.000 Rumänen und Bulgaren, von denen geschätzt die Hälfte hier arbeitet. Wer redet denn von den Konzernen und Betrieben, die von der Ausbeutung dieser Menschen profitieren durch Lohndrückerei, nicht selten schwarz und unter dem Mindestlohn?
4. Die Berichte machen fassungslos angesichts der pauschal geschürten Ressentiments und einer erschreckenden Respektlosigkeit gegenüber den EU-Bürger*innen aus Osteuropa. Natürlich gibt es Gauner aus Osteuropa. Genauso wie es Gauner aus Deutschland gibt – wie die vielen Steuerhinterzieher, die Millionen in der Schweiz verstecken. Und ja, es gibt unsoziales Verhalten aus diesem Personenkreis. Und nein, es geht uns in keinster Weise um eine unkritische Verteidigung solchen Verhaltens. Es gibt Müll, der nicht ordnungsgemäß entsorgt wird, es gibt Frauen, die ihre Kinder in die großen Mülltonnen heben, um sie nach Verwertbaren suchen zu lassen, und es gibt eine schwierig zu durchbrechende Abschottung und Unzugänglichkeit. Aber erstens gibt es diese Verwahrlosungserscheinungen - oft als Folge eines armutsgeprägten Lebens mit wenig Perspektive - auch bei Deutschen. Und zweitens ist AUF Gelsenkirchen zweifellos die politische Kraft, die am intensivsten persönlich und vor Ort zu den Leuten geht, mithilfe von aus Rumänien stammenden Gelsenkirchenern kritisiert, diskutiert, sich entschieden gegen unsoziales Verhalten positioniert, Flyer dazu übersetzt, Hilfe anbietet und leistet, Zusammenhalt stärkt.
5. In Gelsenkirchen gab es nach der Zusammenarbeit von CDU und AfD im Bundestag zwei Protestaktionen: Eine wurde von AUF angemeldet und eine vom „Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung“. Vor allem Jüngere haben gegen die AfD und die faschistische Gefahr demonstriert: „Wir sind die Brandmauer!“ und „Alle zusammen, gegen den Faschismus!“
Der Protest des Aktionsbündnisses war an Harmlosigkeit und geringer Mobilisierung kaum zu überbieten. Weder wurde der Faschismus beim Namen genannt, noch die AfD angegriffen. Stattdessen sprachen Vertreter von SPD und Bündnis 90/Grüne wie Adrianna Gorczyk, die Co-Fraktionschefin der Grünen-Ratsfraktion, die SPD-Landtagsabgeordnete Christin Siebel und die Oberbürgermeisterin Karin Welge (SPD). Vertreter von Migranten und linken Parteien durften nicht sprechen, um laut Aktionsbündnis angeblich „außerhalb des politischen Spielfeldes“ zu bleiben. Uns lehrt die deutsche Geschichte: Wir brauchen eine starke antifaschistische Aktionseinheit und Einheitsfront gegen den Faschismus. Es hat sich als untauglich erwiesen, dass SPD und Bündnis 90/Grüne in ihren Migrationsforderungen im Wahlkampf nach Rechts gerückt sind. Sie haben dafür erhebliche Stimmenverluste kassiert. Die Jugend hat überwiegend links gewählt.
6. Wenn ununterbrochen Sicherheit und Ordnung gefordert wird, sollten die Fakten sprechen: Die Gewaltkriminalität war in Gelsenkirchen in den 1990er Jahren sehr hoch, ging dann in den 2000er Jahren zurück und ist den 2010er und 2020er Jahren stagniert bzw. leicht gestiegen, aber immer noch rückläufig gegenüber den 1990er Jahren. Statt über Migranten und die Jugend zu schimpfen, sollte mehr in ihre Zukunft investiert werden, statt sie im Stich zu lassen.
7. Wenn Markus Töns sagt „Das Hauptproblem hier ist die Zuwanderung“, dann stellt er die Tatsachen auf den Kopf! Das Hauptproblem ist die rücksichtlose Vernichtung der Industriearbeitsplätze durch die Ruhrkohle AG und andere, die hier verbrannte Erde in Form von verseuchten Böden hinterlassen haben, was sich auf Gesundheit und Lebenserwartung auswirkt. Ohne Zuwanderung gäbe es in Gelsenkirchen keine Pflegedienste, keine Paketzustellung, und in der Bahnhofstraße würden noch weitaus mehr Geschäfte leerstehen.
8. Die Zuwanderung ist eine Folge von Kriegen, von Ausplünderung von Mensch und Natur in der Welt. Die Zerstörung der Industrie in Südosteuropa und in Gelsenkirchen nach 1990 haben hier wie dort die Probleme verursacht. Und kriminelle Banden nutzen das aus und bereichern sich mit Schrottimmobilien und organisiertem Betrug daran. Dagegen muss vorgegangen werden.
9. AUF Gelsenkirchen ist dagegen, durch künstliche Verknappung von Wohnungen den Mietspiegel nach oben zu treiben. Kriminelle Schrottimmobilien müssen enteignet saniert und erst im äußersten Notfall abgerissen werden.
10. AUF Gelsenkirchen stellt derzeit ein positives Aktionsprogramm auf, um mit und für Gelsenkirchen zu kämpfen. Machen Sie mit! Bringen Sie ihre Ideen und Erfahrungen ein!