Leserbrief zu „Armutsgefahr ist weiter sehr hoch“ (WAZ 22.3.22) von Dr. Willi Mast
Dass Kinderarmut als brennendes gesellschaftliches Problem zum Thema gemacht wird, ist sehr zu begrüßen. Leider klaffen hier aber auf den verschiedenen politischen Ebenen Wort und Tat weit auseinander. Darüber zu diskutieren, wie von Celina Jacobs/AUF beantragt, wurde im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familien bzw. Sozialausschuss kürzlich sogar abgelehnt.
Was hat die Bundes- und Landesregierungen in den letzten Jahren daran gehindert, entschiedene Schritte gegen Armut und Kinderarmut zu unternehmen, am Beispiel Niedriglöhne, höhere Hartz-IV-Sätze, Grundsicherung für Kinder, Lehrernotstand in benachteiligten Stadtteilen etc. Der Armutsforscher C. Butterwege weist zurecht darauf hin, dass Armut ja immer auch das Gegenstück ist zu explodierenden Großgewinnen und Großvermögen. Diese haben sich nach Angaben von Oxfam während der Corona-Pandemie noch einmal verdoppelt.
Ob unsere Stadt tatsächlich Vorreiter der Armutsprävention ist, wage ich zu bezweifeln, auch wenn es verschiedene sinnvolle Präventionsmaßnahmen gibt. „Kein Kind zurücklassen“? - Fehlanzeige!Fast jedes zweite Kinde lebt hier in Armut und die Zahl der „zurückgelassenen“ Kinder steigt weiter an, insbesondere auf Grund einer verfehlten Corona- und Schulpolitik, des akuten Lehrer- und Personalnotstands an Grundschulen, in Kitas und im städtischen Sozialdienst. Davon betroffen sind ganz überwiegend Kinder aus armen und benachteiligten Familien. Es bedarf breiter Proteste und einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um hier endlich eine „180-Grad Wende“ der Politik durchzusetzen. Nach der Bundestags-Debatte zum Ukraine-Krieg muss man allerdings befürchten, dass die Prioritäten künftig in eine ganz andere Richtung gehen.