Specht JanSehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, verehrte Besucherinnen und Besucher, meine Damen und Herren,

die erste Haushaltsdebatte mit der neuen GroKo war wirklich eine Zumutung und verdient den Namen Beratung nicht. Die Arroganz der GroKo gipfelte darin, nicht mal 48 Stunden vor dem Hauptausschuss die Anträge auf den Tisch zu knallen. Hätte die Kämmerei sie nicht unter großem Einsatz noch in die Gesamtliste sorgfältig eingepflegt, wäre das Chaos perfekt gewesen. Dieses Chaos erinnert doch glatt an das Krisenmanagement der Bundes- und Landesregierungen in der Corona-Pandemie.

Corona ist kein Gleichmacher. Er trifft Menschen, die in beengten Wohnverhältnissen leben, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind, die jeden Tag an ihrem Arbeitsplatz präsent sein müssen ungleich härter. Genauso trifft er auch ärmere Kommunen härter – worüber keine buchhalterische Fiktion hinwegtäuschen kann. Wie in einem Brennglas wurde die desaströse Abhängigkeit von den Gewerbesteuern deutlich, was auch angesichts einer wachsenden Zahl inländischer Steueroasen keine Zukunft hat. Jetzt müssen endlich Spekulationsgewinne und Großvermögen zur Finanzierung herangezogen werden.

Die bereits 2018 einsetzende Weltwirtschafts- und Finanzkrise wurde durch Corona beschleunigt, vertieft und verlängert. Das ist schon die zweite Jahrhundertkrise innerhalb eines guten Jahrzehnts. Das erbärmliche Krisenmanagement der CDU/SPD-Bundesregierung wirkt chaotisch, verfolgte von Anfang an die Leitlinie: die Produktion der großen Konzerne darf auf keinen Fall gestört werden. Das ist die wesentliche Ursache, warum die Gelsenkirchener*Innen, die kleinen Unternehmen und Selbstständigen, das ganze städtische Leben, aber auch ein Großteil des politischen Lebens seit bald einem halben Jahr in einem inkonsequenten, aber umso belastenderen Lockdown auf dem Rücken der Masse der Bevölkerung steckt. Sehenden Auges wurde voll in die dritte Welle gesegelt und in Kauf genommen, dass weitere Tausende daran sterben werden.

Interessant ist zu sehen, was in einer solchen Krise auf einmal möglich ist! Seit Jahren fordert AUF Gelsenkirchen die volle Übernahme der Kosten der Unterkunft und der Flüchtlingskosten von Bund und Land. Gut, dass es hier eine deutliche Verbesserung gibt. Bei den Altschulden tut sich jedoch nichts. Dazu kommen jetzt noch die Neuschulden, die je nach Zinsentwicklung eine große oder eine riesige Belastung für zukünftige Generationen werden!

Auch wenn die vielen wegweisenden Anträge von AUF Gelsenkirchen abgelehnt wurden, so hat doch das ein oder andere Eingang gefunden – so die stärkere Unterstützung von schutzbedürftigen Frauen, organisatorische Verbesserungen der Ausländerbehörde, oder die Überlegungen zur Wertstofftonne. Die große Koalition hat einen der unsozialsten Haushaltsanträge durchgedrückt. Mit der Veränderung der Kategorien des Mietspiegels werden die Weichen gestellt, das Mietenniveau in ganz Gelsenkirchen weiter zu erhöhen. Damit werden keine Anreize für sinnvolle Investitionen geschaffen, sondern Anreize für maximal profitbringende Immobilienspekulation auf Kosten aller Gelsenkirchener*Innen. Aufgrund dieser unsozialen Handschrift werden wir den Haushalt selbstverständlich ablehnen.

Ich habe mich sehr gefreut, dass die Anträge der AfD durchweg keinen Stich machten. Ich meine aber, dass es wert ist, sich auch immer argumentativ mit den schlechten, latent rassistischen und demagogischen Anträgen der AfD auseinanderzusetzen um ihrer theatralischen Inszenierung als Opfer entgegenzuwirken.

Dank der buchhalterischen Fiktion und des Gewerbesteuersausgleichs im letzten Jahr kann man nicht von einem Horrorhaushalt sprechen, aber ich entnehme den Vorlagen, dass der Rotstift schon mal bereitgelegt wird. Das betrifft den Einstieg in den Ausstieg aus dem Bäderkonzept, der mit der Veränderung der Ziele und im Rahmen der Polizeihochschule angelegt wurde. Das betrifft die desaströse Lage der Stadtwerke. Und das betrifft die Aussage zur Haushaltssatzung, in Zukunft sämtliche alternativen Einsparpotenziale nutzen zu wollen.

Ich wage weiterhin die Prognose, dass ein katastrophales Jahr auf uns zukommt als Ergebnis des unverantwortlichen Krisenmanagements, zu dem sich unsere Stadtspitze leider nie öffentlich kritisch geäußert hat. Dazu gehört massenhafter Arbeitsplatzabbau, Haushaltskrisen v.a. bei den Kommunen, die Auswirkungen massivster Bildungslücken v.a. bei Schüler*innen mit Defiziten, ebenso wie der Probleme und Gewalt in Familien; Hunderttausende Insolvenzen, ein enormer Konzentrationsprozess hin zu den ganz Großen. Das wird enorme Krisenhaushalte nach sich ziehen!

Wir haben uns von AUF nie auf Haushaltsberatung allein verlassen, sondern die wichtigen Fragen immer mit vielen BürgerInnen beraten und mit Protest auf der Straße und Aktivitäten in den Stadtteilen verbunden, was in diesem Jahr noch wichtig werden wird.

In diesem Sinne,

Glück AUF