Luftbild Gelsenkirchen Raffinerie Werk Scholven 1Die aktuellen Meldungen zu BP sind Greenwashing pur, eine reine Rechtfertigungslinie im Kontext einer völlig inakzeptablen Ausnahmegenehmigung: Am 31.01.2019 erteilte die Bezirksregierung den Werken BP Scholven und Horst Ausnahmegenehmigungen. Damit wird BP vorläufig davon entbunden, geltendes deutsches und europäisches Recht in Sachen Grenzwerte für Stick­stoff­oxi­de, Schwe­fel­oxi­de und Am­mo­ni­ak einzuhalten.

Die WAZ hat ihren sonst zuweilen auch kritischen Standpunkt hier verlassen und springt bereitwillig auf den Zug auf, BP einen wunderschönen grünen Mantel umzuhängen. Unter dem Titel „BP in­ves­tiert in den Um­welt­schutz“ berichtet die WAZ Gelsenkirchen am 27.02.1019 breit darüber, dass BP keine Kosten und Mühen scheuen würde, die Grenzwerte für Stick­stoff­oxi­de, Schwe­fel­oxi­de und Am­mo­ni­ak zu senken.

„Der Artikel in der WAZ löst bei mir größtes Befremden aus. So hören sich gleichlautend BP-Pressetexte an. Man muss doch einmal festhalten, dass es hier um die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben geht und nicht um einen Gefallen seitens BP,“ so Jan Specht, sachkundiger Einwohner für AUF im Umweltausschuss. Wie problematisch die erhöhten Stickstoffemissionen real sind, zeigt auch die Debatte um Fahrverbote wie auf der Kurt-Schumacher-Straße.

In welch scharfem Kontrast die angebliche Umweltfreundlichkeit von BP steht, belegen brisante Folien. AUF Gelsenkirchen hat sie unter www.auf-gelsenkirchen.de veröffentlicht. Sie untermauern, was seit Monaten von AUF Gelsenkirchen kritisiert wird:

  1. Ölpellets sind gefährlicher Abfall! BP selbst spricht davon, dass Verwertungskosten von 3,6 Millionen pro Jahr entstehen. Wären die Ölpellets wie von BP behauptet ein Produkt, warum müssten sie dann noch draufzahlen für die „Verwertung“?
  2. Das Sicherheitsdatenblatt wurde verändert und dabei der R-Satz 45 (Hinweis auf Risiken) „Kann Krebs erzeugen“ entfernt auf willkürlicher Grundlage mit Einverständnis der Bezirksregierung.
  3. Es wurde BP-intern nach Mischkomponenten gesucht, um die Werte von Nickel und Vanadium durch Verdünnung zu senken. Dabei heißt es eindeutig im Kreislaufwirtschaftsgesetz: „Die Vermischung, einschließlich der Verdünnung, gefährlicher Abfälle mit anderen Kategorien von gefährlichen Abfällen oder mit anderen Abfällen, Stoffen oder Materialien ist unzulässig.“
    Unverständlich wie angesichts dessen im Umweltausschuss eine Kehrtwende vollzogen wurde – auch bei SPD und CDU – weg von der Forderung der zumindest zeitweiligen Einstellung der Ölpelletverbrennung.

„Ins Visier gehört bei all diesen Kritikpunkten die Rolle der Bezirksregierung Münster, die als Aufsichtsbehörde den Interessen der Menschen verpflichtet ist. Diese Aufgabe stellt sie allzu bereitwillig hinter den Schmusekurs mit einem internationalen Konzern“, kritisiert Monika Gärtner-Engel, Stadtverordnete für AUF.

Einige Formulierungen in der im Januar erteilten Ausnahmegenehmigung für die Werke BP Scholven und Horst sprechen Bände. „Die voraussichtlich notwendigen Maßnahmen gehen mit einem erheblichen planerischen, finanziellen und zeitlichen Aufwand einher, der eine Umsetzungsfrist von einem Jahr deutlich übersteigt. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass eine Umsetzung von technischen Maßnahmen während des laufenden Betriebs schwer umsetzbar ist. Hierzu ist es notwendig, dass einzelne Anlagenteile heruntergefahren werden, was einen erhöhten planerischen Vorlauf und betriebstechnischen Aufwand bedeutet.“

Was hier für eine unheilige Allianz am Werk ist, belegen viele Fakten:

Wenn BP der Umweltschutz so am Herzen liegen würde, warum wurden dann nicht LÄNGST wirksame Maßnahmen eingeleitet, um die Grenzwerte wie vorgeschrieben JETZT einzuhalten?!

Die Wahrheit ist: seit 2010 sind die Anforderungen für die Anwendung der besten verfügbaren Techniken für die wesentlichen Emissionsquellen für den Raffineriebetrieb in Diskussion.

Zur EU-Richtlinie 2010/75/EU vom 24.11.2010 veröffentlichte die EU im Amtsblatt am 28.10.2014 einen Durchführungsbeschluss. Die Anforderungen sollten ab dem 29.10.2018 eingehalten werden. Die Umsetzung in das deutsche Umweltrecht erfolgte zum 19.12.2017. Diese Fakten sind für Ste­phan Hüs­ken, Lei­ter Um­welt­schutz und Qua­li­täts­ma­nage­ment bei BP, nicht erst seit gestern bestens bekannt. Auch die Bezirksregierung stimmt ein in diesen Tenor – alles zu kurzfristig, nicht zu machen, Zitat: „Der Zeitraum für die rechtzeitige Umsetzung bis 29.10.2018 war mit 10 Monaten objektiv zu kurz, um die erforderlichen rechtlichen sowie technischen Vorkehrungen treffen zu können.“ Mag sein, aber erstens ist in den 10 Monaten nichts passiert außer Ausnahmeregelungen zu beantragen und zweitens müsste BP am besten wissen, welche Konsequenzen die EU-Richtlinie von 2010 für Raffinerien haben müsste. Aber was ist seitdem passiert? Jahrelange Lobby-Arbeit in Brüssel und Berlin? BP saß von Anfang an in den technischen Arbeitsgruppen mit am Tisch. Stephan Hüsken beschwert sich in einer Präsentation von 2017 über „Ambitiöse und isoliert betrachtete Klima- und Luftreinhalteziele“. Diese seien ein Risiko für die Industrie. Kommen nicht die jahrelangen Verzögerungen genau daher, dass die Raffineriebetreiber ständig versuchen, den ganzen Prozess ihren Anforderungen unterzuordnen?

BP in Sorge um Mitarbeiter und Anwohner? Fehlanzeige! „Auf un­se­ren Stand­or­ten ist nicht er­kenn­bar, dass wir ei­ne er­höh­te Krebs­ra­te ha­ben“, lässt Ste­phan Hüs­ken, Lei­ter Um­welt­schutz und Qua­li­täts­ma­nage­ment bei BP verlauten. Die Frage ist, ob überhaupt Untersuchungen durchgeführt wurden über die Krebshäufigkeit unter Beschäftigten der Standorte. Dass Gelsenkirchen in NRW mit an der Spitze der Krebserkrankungen steht, bleibt unerwähnt. Es ist schlichtweg nicht plausibel, dass Beschäftigte die täglich mit krebserregenden Aromaten zu tun haben, keinem erhöhten Krebsrisiko ausgesetzt sind. Und was ist mit den BP-Rentnern? Sorgen gibt es bei den Anwohnern, die mitunter in jedem Haus in ihrer Straße von Krebserkrankungen berichten.

Die Ausnahmegenehmigung der Bezirksregierung ging eine öffentliche Auslegung vorweg. BürgerInnen konnten Einwendungen vorbringen. Ein rein formaler Akt, um dem Recht Genüge zu tun, dieser Eindruck drängt sich auf, liest man den Kommentar der Bezirksregierung Münster dazu: „Es sind insgesamt 19 Einwendungen eingegangen. Die Einwendungen wurden bei Erteilung des Bescheids berücksichtigt. Neue Erkenntnisse, die dagegen sprechen würden, der Fa. Ruhr Oel GmbH eine Ausnahme … zu erteilen, haben sich durch die Einwendungen nicht ergeben.“
Ein weiterer Fakt, wie die Bezirksregierung BP mit Samthandschuhen anfasst, ist die Festlegung eines Zwangsgeldes bei Nichteinhaltung durch BP, das bis 100.000,- Euro betragen kann, aber mit 10.000 Euro an der unteren Grenze festgesetzt wurde. Mit dem unglaublichen Kommentar der Bezirksregierung: „Bei der Höhe des Zwangsgeldes habe ich die vorgenannten Umstände und den wirtschaftlichen Vorteil, der Ihnen aus einer Nichtbefolgung der angeordneten Maßnahmen erwachsen würde, berücksichtigt. ...“

Alles in allem: Eine unheilige Allianz, die den Anliegen für die Gesundheit der Anwohner völlig entgegen steht. Statt eines roten Teppichs für BP ist die vollständige und schnellstmögliche Einhaltung aller möglichen Umweltschutzmaßnahmen zu fordern und mit öffentlichem Druck durchzusetzen.

„Die Verstärkung des Widerstands gegen diese Politik ist herausgefordert, wozu AUF weiter Initiative ergreifen wird“, kündigt Monika Gärtner-Engel an. „Eine öffentliche Versammlung des „Aktionsbündnisses gegen die Ölpellet-Verbrennung – für saubere Luft“ wird am 07.03.2019 die nächsten Schritte beraten, Treffpunkt ist um 19 Uhr in der Gaststätte Brinkmannshof, Bußmannstr. 10, 45896 GE. Aus der wachsenden Breite des Protestes kommt auch viel Wind in die Segel.“

 Unterlagen der BP zu Oelpellets

Ausnahmegenehmigung für BP im Amtsblatt der Bezirksregierung (Seite 56ff)