Demo Fronttransparent mit Moni Stefan Ayman Anfang

400 solidarische TeilnehmerInnen, 15 Städte, Menschen aus mindestens 9 Ländern

Große Resonanz fand die 597. Montagsdemonstration als ruhrgebietsweite Demonstration. Delegationen der Montagsdemonstrationen und Flüchtlinge von Neukirchen-Vluyn bis Dortmund, von Hagen bis Marl und sogar über das Ruhrgebiet hinaus bis Wuppertal kamen, um die Informationen und Erfahrungen auszutauschen und Kräfte zu bündeln. Das war nicht nur eine politisch hochkarätige Aktion, sondern auch eine internationalistische, herzliche Verbrüderung, die weit über den Tag hinaus ausstrahlen wird!“ , so Martina Reichmann, Anmelderin der außergewöhnlichen Demo.

Anlaß des Protestes: die „Wohnsitzauflage“ und insbesondere ihre rückwirkende und besonders rigorose Umsetzung in Gelsenkirchen. Im Zentrum der Forderungen: das Recht auf freien Aufenthalt, um in Demokratie, Frieden und Freiheit leben zu können. Ein bewegender Tag des Widerstands für die solidarische Interessenvertretung in der kämpferischen Flüchtlingspolitik. Ein Signal, das in die Region ausstrahlt.

Demo ganze Laenge

Flüchtlinge aus vielen Ländern, wie aus Neu-Guinea, Mazedonien und Syrien fanden bewegende Worte für die vielen Schicksale. Eine von der Wohnsitzauflage Betroffene: „Was uns belastet ist, dass wir aus dem Krieg Geflüchtete hier mit der Wohnsitzauflage bestraft werden. Wir sollen uns hier integrieren, das wollen wir gerne - aber man gibt uns kein Bleiberecht. Unsere Kinder gehen zur Schule, und jetzt sagt man uns: Geht zurück in andere Bundesländer!“

Monika Gärtner-Engel, Moderatorin, lenkte den Blick auf die furchtbaren Kriegsfolgen in Aleppo. Montagsdemonstranten hatte mit viel Engagement einen Ort des Gedenkens mit Kerzen und Blumen geschaffen. Die Demonstration begann und schloss mit dem gemeinsamen Gedenken der TeilnehmerInnen unterschiedlichster Religionen für die Opfer des Krieges in Aleppo, in vielen Städten Syriens und auch der unzähligen Opfer der Flucht über das Mittelmeer.

Ayman Al Homsi, Sprecher der Flüchtlingsinitiative Gelsenkirchen, war erster Redner auf der Demonstration, er steht auch für das mehrtägige Protestcamp vor dem Hans-Sachs-Haus und organisierte Proteste gegen die Ungerechtigkeiten am Ausländeramt in Gelsenkirchen. „Wir sind gekommen in ein Land, von dem man uns sagte, dass man menschlich behandelt und die Menschenwürde geachtet wird, und jeder Mensch seine Rechte und Pflichten hat. Als wir hierhin kamen, schien ein Traum in Erfüllung zu gehen. Doch wir mussten aufwachen: aus diesem Traum ist zuweilen ein Albtraum geworden. Wir erfahren oft: wir werden behandelt wie Schmarotzer und nicht wie Menschen, die ihr Land, ihre Heimat, viele Menschen aus ihren Familien verloren haben und viel, viel lieber dort leben würden. Ein Teil dieser ungerechten Behandlung ist die Wohnsitzauflage.“ Seine Rede war eine eindringliche Mahnung, den Krieg in Syrien zu beenden, die Fluchtursachen entschieden zu bekämpfen: „Wenn kein Krieg herrscht, gehen wir gerne in unser Land zurück. Wir sind nicht als Bettler gekommen. Nicht nur die Wohnsitzauflage hat vieles geändert. Wir wollen ein Leben mit Würde und Anstand!“

Viele der Flüchtlinge und Helfer sind seit längerem täglich gegen die Wohnsitzauflage unterwegs, sind am Ausländeramt aktiv, und bringen zur Sprache, dass sich aktuell wieder die Probleme häufen und der Ton sich merklich verschärft. Der entschiedene Protest gegen rigides Vorgehen, ja Repressalien wurde als ein erstes Ergebnis der revierweiten Demonstration einstimmig bekräftigt: Ein großes Votum für eine gerechte menschenwürdige Behandlung und demokratische Rechte und Freiheiten! Wir können aufeinander zählen!

Stefan Engel, MLPD, hat sich bei den Flüchtlingen nicht nur als Ideengeber für diese ruhrgebietsweite Bündelung der Kräfte verankert. Er findet auch große Beachtung als zuweilen unbequemer Diskussionspartner in der Orientierung in der neuen Heimat Deutschland, der jedoch stets auf Augenhöhe und mit immer neuen Argumenten debattiert: „Die Moderatorin sagte eben, dass ein ganzer Teil der Anwesenden gar nicht von der Wohnsitzauflage betroffen ist. Da widerspreche ich entschieden! Ich bin gegen eine Unterscheidung zwischen Betroffenen und nicht Betroffenen. Kann irgend jemand in einer Gesellschaft dulden, dass einem Teil der Gesellschaft grundlegende Rechte entzogen werden? Wir sind alle betroffen, wenn Menschen diskriminiert und unterdrückt werden! Vor einem Jahr hat Frau Merkel den Begriff der Willkommenskultur geprägt. Heute, ein Jahr später, titelt die Frankfurter Rundschau treffend 'Ende der Willkommenskultur'. Die Länder der EU haben sich aktuell in Wien darauf geeinigt, möglichst viele Flüchtlinge abzuschieben, keine mehr hereinzulassen und mit Ländern wie Ägypten ähnliche Deals abzuschließen wie mit der Türkei. Durch die reaktionäre Flüchtlingspolitik gibt es nicht einen Flüchtling weniger, nur die Wege der Flucht ändern sich – allein diese Woche sind 500 ertrunken. Das aktualisierte Integrationsgesetz beinhaltet u.a. den Zwang, drei Jahre in einer bestimmten Stadt zu leben. Bis zu 30 Stunden sollen die Leute für 80 Cent arbeiten! Als Marxist-Leninist bin ich grundsätzlich dagegen, dass Menschen unterschiedlich behandelt werden und vertrete in Wort und Tat die Gedanken des kommunistichen Freiheitsideals!“

Wer kämpft, kann gewinnen. Ein Grund für große Freude war, dass der 10-jährige Anas mit seinem Vater zusammen zur Kundgebung kam. Er wurde auf der Flucht von seinen Eltern getrennt, unser gemeinsamer Kampf trug dazu bei, sie hier wieder zusammen zu bringen. Ein weiterer Erfolg: Noch auf der Demo wurde ein Wohnung für diese Familie gesucht und gefunden! Als Anas das Lied, das die Schönheit seiner Heimat - das Paradies Syrien – besingt, fliessen nicht nur bei vielen hartgesottenen Geflüchteten Tränen - des Heimwehs, aber auch der Rührung und Freude über das neu gefundene Zusammengehörigkeitsgefühl.

Die Rebellen und Rotfüchste standen Anas und den Flüchtlingen im Kampf um ihre Rechte fest zur Seite. Lisa Gärtner sprach für sie: „Alle Mächtigen auf dieser Welt sprechen davon, Frieden und Freiheit bringen zu wollen. Warum haben Menschen Recht, Kriege zu führen, während die bestraft werden, die diese Kriege bekämpfen? Deshalb unterstützen wir alle, die für Frieden, Freiheit, Demokratie und Sozialismus kämpfen.“ Mit ihnen kam ein jugendlicher Sänger aus Dortmund – und aus dem kurdischen Teil Syriens - mit seinem selbst komponierten Lied „ Ein Jahr bin ich hier. Ein Jahr, immer noch kein Aufenthalt, jeden Tag beim Arbeitsamt.“

Fest an der Seite der Flüchtlinge stehen Kollegen aus den Belegschaften großer Betriebe wie bei Opel, in der Stahlbranche und im Bergbau. Sie kämpfen denselben Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung. Arbeits- und Ausbildungsplätze sind für alle wichtig, egal aus welchem Land man kommt und die Lehre ihrer Abeitskämpfe ist: Wir dürfen uns niemals spalten lassen!

Der nächste Schritt in der Vernetzung ist die Fahrt nach Berlin, wo am 1. Oktober auf der bundesweiten Herbstdemo in der ganzen Palette der Anliegen auch die Wohnsitzauflage ins Visier genommen wird. Thomas Kistermann, Moderator, mobilisierte zur Teilnahme. Die Adresse der Bundesregierung ist genau der richtige Ort, um dieses menschenunwürdige Gesetz anzuprangern und die Kräfte bundesweit zu bündeln, gegen Hartz IV, gegen die Wohnsitzauflage, gegen jede unsoziale Politik!

Die freien Plätze im Bus aus Gelsenkirchen nach Berlin zur bundesweiten 13. Herbstdemonstration sind inzwischen komplett ausverkauft, es gibt weit mehr Anmeldungen als Busplätze. Für weitere Interessierte wird die Fahrt nun anderweitig zusammen organisiert. Letzte Anmeldungen bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Mit Menschen aus vielen Ländern heißt es dieses Jahr: Berlin – Berlin – wir fahren nach Berlin!