klaus arnecke Kopie webDie Jahreshauptversammlung von AUF Gelsenkirchen hat eingehend diskutiert und am 22.04.16 beschlossen, die Mitarbeit im Ausschuss zur Untersuchung von Fehlverhalten im Kontext der Gelsenkirchener Jugendhilfe (AFJH) einzustellen. AUF Gelsenkirchen ist nicht mehr bereit, in einem Ausschuss mitzuwirken, der sich in einen Scheinuntersuchungsausschuss verwandelt hat, nachdem ihm nicht nur die nötigen Befugnisse fehlen (was von Anfang an feststand), sondern wo auch mit einer restriktiven Auslegung der rechtlichen Grundlagen und taktischen Manövern von Seiten der SPD und Teilen der Verwaltung eine rückhaltlose Aufklärung verhindert wird:

 

    • Ein Jahr nach der WDR-Sendung »Monitor« vom 30. April 2015, sind wir weit von einer wirklichen Aufklärung des Skandals entfernt. In der Sendung wurde aufgedeckt, wie der Leiter des Gelsenkirchener Jugendamtes, Alfons Wissmann und sein Stellvertreter Thomas Frings über Jahre hinweg »mit Kindern Kasse gemacht haben«, steht der mit der Untersuchung des Skandals beauftragte Rats-Ausschuss vor einem äußerst dürftigen Ergebnis: Nach nunmehr sechs Sitzungen ist nur wenig mehr ans Licht gekommen, als was schon die Recherche der Monitor-Redakteure bzw. die allerersten Sondersitzungen von HFBP und Rat sowie die Aussagen von Dirk Hausberg zutage gefördert hatten! Wege und Chancen zur Aufklärung gab es durchaus, wie die anfängliche relativ schnelle und gute Aufklärung mit den Sondersitzungen von Rat und Hauptausschuss und die Befragung von Dirk Hausberg zeigen.
  • Die mit nachhaltig bekundetem Aufklärungswillen angetretenen Vertreter der SPD-Fraktion beanspruchten mit Herrn Peters den Vorsitz des Ausschusses und pochen seitdem auf die »Einhaltung von Recht und Ordnung«. Das heißt in diesem Fall, dass der Ausschuss nur ja seine unzureichenden Kompetenzen nicht überschreitet: »Er ist kein Untersuchungsausschuss, wie er sich im parlamentarischen Bereich findet. Der Ausschuss hat insbesondere nicht das Recht, förmliche Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Er kann keine förmlichen Ermittlungen anstellen und keine förmlichen Beweise erheben.«
  • AUF hatte zur Einrichtung des Ausschusses Pioniererfahrung eingebracht, im Hans-Sachs-Haus-Skandal wurde damals aufgrund des erfolgreichen Bürgerbegehrens ein Weg gesucht und im Rat gefunden zur Aufklärung des Hans-Sachs-Haus-Desasters. Unsere Erfahrung lehrt uns: Entscheidend für die Aufklärung ist der dahinter stehende Wille und die schonungslose Aufdeckung ungeachtet der Person.
  • Eine besonders eklatante Unterdrückung der Wahrheitsfindung war die besonders rigorose Einschränkung des Rechtes auf Akteneinsicht! Monika Gärtner-Engel wurde bis zum heutigen Tag jedes Recht darauf verweigert, obwohl sie Stadtverordnete und stellvertrendes Mitglied im dortigen Ausschuss ist. Dieses Recht auf Akteneinsicht hatte sie zum Beispiel zur Aufklärung des Giftmüllskandals wirksam genutzt.
  • Am 17.8.2015 stellte sie den Antrag auf Einsicht in die Unterlagen, die Aufschluss hätten geben können in die Vorgänge um die Anträge für die Nebentätigkeit/Geschäftsführung der Neustart Kft von Wissmann und Frings, des Weiteren wie verwaltungsintern seitens der Verantwortlichen, der Personalverwaltung, der Dienstaufsicht damit umgegangen wurde. Zum Antrag auf Akteneinsicht gab es bis zum 1.9.15 keine Antwort des Oberbürgermeisters. Am 18.9.2015 erfolgte dann die Ablehnung mit der Begründung, dass „nicht hinreichend dargelegt sei, warum diese Informationen zur rechtmäßigen Aufgabenerledigung des Rates und des Ausschusses notwendig seien.“ Um das berechtigte Anliegen abzuwimmeln, wurde akribisch nach formalen Gründen gesucht. Nur zur Vorbereitung und Überprüfung von Ratsbeschlüssen, hieß es unter anderem, könne Akteneinsicht genommen werden. „Einsichtnahme in Vorgänge zu Geschäften der laufenden Verwaltung sind für den Einzelnen ausgeschlossen.“ Wer Transparenz will, wer nichts zu befürchten hat, sollte dieses demokratische Recht fördern und nicht aushebeln!
  • Von Anfang an war klar, dass die tatsächlichen personellen Verwicklungen und Strukturen in dem Korruptionsnetzwerk nur würden aufgedeckt werden können, wenn es Personen gibt, die ihre Kenntnisse öffentlich machen - im Interesse des Kampfs gegen Korruption und jugendfeindliche Politik. Personen, die an den Vorgängen unmittelbar beteiligt waren oder nur Zeuge, Mitwisser usw. Diese Möglichkeit wurde dem Ausschuss von vornherein unter dem fadenscheinigen Vorwand genommen, der Oberbürgermeister dürfe Mitarbeiter der Verwaltung aus Fürsorgepflicht nicht einem solchen Befragungsstress aussetzen. Dagegen protestierte ich als Vertreter von AUF Gelsenkirchen und forderte, dass die Fürsorgepflicht des Oberbürgermeisters gerade darin bestehen müsse, aussagebereiten Mitarbeitern jeglichen Schutz zu gewähren. Ihnen hätte die Sicherheit gegeben werden müssen, dass sie für die Aufdeckung kritischer Sachverhalte, von denen unter Umständen auch ihre Vorgesetzten betroffen sind, keine Nachteile zu erwarten haben.
  • Allein die Befragung des gekündigten ehemaligen Mitarbeiters des Sankt Josef Kinderheims, Dirk Hausberg, förderte Beweise zutage: Über Jahre hinweg hatten in dem Heim Zustände geherrscht, wo die verantwortlichen Pädagogen und Erzieher durch Geschäftsleitung und Jugendamtsleitung unter Druck gesetzt worden waren, eine Überbelegung ihrer Gruppen hinzunehmen. Er sagte bezeichnenderweise vor dem Ausschuss ausdrücklich mit dem Motiv aus, eine »Jugendarbeit« zu bekämpfen, wo »mit Kindern Kasse gemacht« wird. Die zufällige Konstellation, dass der Geschäftsführer der St. Augustinus Heime GmbH, Peter Weingarten, nach Dirk Hausberg befragt wurde, trug dazu bei, den krassen Widerspruch zwischen einer am Wohl der Kinder orientierten pädagogischen Arbeit und einer am Gewinn der Heime GmbH orientierten Geschäftspolitik vor Augen zu führen. Weingarten erklärte, die Tatsache der Überbelegung sei »stets offen kommuniziert worden« und sei zu keinem Zeitpunkt ein Geheimnis gewesen. Auch habe er mit den Herren Wissmann und Frings anerkannte Fachautoritäten vor sich gehabt, mit denen in der Frage der Überbelegung Einvernehmen bestand. Statt dieser offensichtlichen Kumpanei restlos auf den Grund zu gehen, schoss sich die SPD-Fraktion auf Herrn Weingarten und die St. Augustinus Heime GmbH ein, um von der eigenen Verantwortlichkeit seitens der Verwaltung abzulenken.
  • Dazu passt, dass eine umfangreiche, detaillierte Befragung von Mitarbeitern im Referat Erziehung und Bildung bewusst nicht anonym durchgeführt wurde. Sie fand also unter dem Damoklesschwert statt, sich mit belastenden Aussagen möglicherweise berufliche Nachteile einzuhandeln. Dementsprechend wurde dem Untersuchungsausschuss durch den Referatsleiter Dr. Beck mitgeteilt, dass keine/r der befragten Mitarbeiter/innen Angaben gemacht habe, die auf Wissen zu den im AFJH diskutierten Fragestellungen hindeuten. Indizien im Sinne von Vermutungen/Spekulationen könnten nicht Gegenstand einer ernsthaften Aufklärungsarbeit sein. Mit dieser Begründung wurden dem Untersuchungsausschuss allen Ernstes sämtliche konkreten Ergebnisse der Befragung vorenthalten.
  • Diese Farce einer Untersuchung erreichte auf der 6. Ausschusssitzung einen vorläufigen Höhepunkt: Die Befragung von Oberbürgermeister Frank Baranowski durch Dr. Haertel/SPD gab Vorgenanntem ausreichend Gelegenheit, sich als standhaften Kämpfer gegen Korruption und illegale Nebentätigkeiten zu präsentieren, dem im konkreten Falle nur jegliche Information und Hinweise gefehlt hätten, dass mit der Leitung des Jugendamtes etwas faul sein könne. Der Versuch der Herren Wissmann und Frings, sich im Jahre 2005 eine illegale lukrative Nebentätigkeit zulasten von Jugendlichen genehmigen zu lassen, war durch wachsame Mitarbeiter der Personalverwaltung aufgeflogen. Von diesem »Missgeschick« seiner Parteigenossen soll OB Baranowski nichts zu Ohren gekommen sein. Auch hatte der Vorgang keinerlei nachteilige Konsequenzen außer dem Rat, den Antrag auf Nebentätigkeit zurückzuziehen und, formal von dem Projekt Neustart Kft in Pécs Abstand zu nehmen. Danach fanden die verantwortlichen Vorgesetzten, Dr. Beck und der damalige Personaldezernent, Herr Hampe, angeblich das Vertrauen wieder hergestellt. Sie sahen keinerlei Anlass für weitere Überprüfungen von Beamten, die durch ein übles Täuschungsmanöver aufgefallen waren. Dafür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder grenzenlose Vertrauensseligkeit, was aber bei zwei so erfahrenen Beamten gleichzeitig kaum vorstellbar ist, zumal Herr Hampel als Jurist und ehemaliger Richter für sein akribisch genaues Handeln bekannt war. Oder aber ein bewusstes Verschließen der Augen solange nur die Form gewahrt ist und keine Gefahr droht, dass die Sache auffliegt. Man kann ja immer noch erklären, von allem nichts gewusst zu haben – und genauso ist es gekommen. Dass der Vorgang bewusst vertuscht wurde, dafür spricht auch die Tatsache, dass auf eine Anfrage der CDU-Fraktion im September 2005 zur Personalie Wissmann von der Verwaltung mitgeteilt wurde, eine genehmigte Nebentätigkeit sei von Wissmann selbst zurück gezogen worden. Der eigentliche Sachverhalt eines aufgeflogenen Betrugsversuchs wurde so vertuscht. Damit hatten Wissmann und Frings grünes Licht für ihr Geschäftsmodell, mit Kindern Kasse zu machen.

AUF Gelsenkirchen wird weiter an dem Thema dran bleiben – die zeitlichen Ressourcen dafür aber auf ergiebigere Recherchen konzentrieren.