Haushaltsrede von Monika Gärtner-Engel, Stadtverordnete für AUF Gelsenkirchen, in der Haushaltsdebatte zum Haushaltsentwurf 2016 auf der Ratssitzung 26.11.15

„Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren!

moni ratDiese Haushaltsdebatte findet in einer außergewöhnlichen Situation statt. Ich erinnere mich an frühere Haushaltsdebatten, wo in den vorangegangenen Monaten jede Steuerschätzung eine Hiobsbotschaft war. Es war zu der Zeit auch jede arbeitsmarktpolitische Entwicklung eine Hiobsbotschaft. Im Gegensatz dazu haben wir heute einen Höchststand an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland, nämlich fast 43 Millionen. Ich verweise aber auch darauf, dass das verbunden ist mit einer extremen Niedriglohnpolitik, mit Werksverträgen, Teilzeitarbeit usw. Vor allem aus dieser Masse der Bevölkerung entstehen Steuereinnahmen, die einen Rekord bedeuten. Wir haben bei jeder Steuerschätzung ein neues Hoch, zur Zeit sind es geschätzt rund 650 Milliarden € Einnahmen in diesem Jahr. Das betone ich deshalb, weil die Haushaltsdebatte in einem gesellschaftlichen Umfeld stattfindet, das nicht auf einen großen Notstand und riesige Problemen in der Finanzsituation des Bundes hinweist, sondern im Gegenteil wurden Milliarden aus der Masse der Bevölkerung herausgeholt!

Wir haben einen Bundesfinanzminister, der wie einen Fetisch die schwarze Null vor sich her trägt und allenfalls ein paar milde Gaben an die Kommunen zur Ruhigstellung verteilt; wir haben eine große Koalition die viel versprochen hat zur Sanierung der kommunalen Finanzen, und die nichts, aber auch gar nichts davon eingehalten hat. Es waren große Versprechungen, dass hier eine Strukturreform der Gemeindefinanzen auf den Weg gebracht wird, aber die ganze Realität ist, dass immer mehr Aufgaben den Kommunen aufgebürdet werden, aktuell in der Flüchtlingsfrage, die vollkommen unzureichend finanziert wird.

So ist dieser Haushalt nach wie vor ein einziger Krisenhaushalt. Wie auch Herr Hansen/Piraten eben sagte, jeder zerrt an einem Zipfel und trotzdem reicht die Decke nicht. Seine „vorbehaltlose Zustimmung“ zu solch einem Haushalt erschließt sich mir überhaupt nicht, und ich werde für AUF Gelsenkirchen den Haushalt klar ablehnen. Er ist ein Haushalt des Krisenmanagements, und kein einziges der drängenden Probleme wird gelöst, sondern es werden im Gegenteil neue geschaffen und die bestehenden vertieft.

Ich möchte einige Schlaglichter aufzeigen: ein erster hauptsächlicher Punkt ist eine weitere massive Erosion der Substanz der kommunalen Infrastruktur und der kommunalen Finanzen. Zweitens ist der Haushalt nicht vorausschauend auf die neuen Entwicklungen des nächsten Jahres eingestellt, zum Beispiel infolge der Flüchtlingspolitik und der Situation der Flüchtlinge. Ein weiterer Punkt ist der Stellenplan, wo zwar einige neue Stellen geschaffen werden, was zu begrüßen ist, aber eben nicht in dem Maße, wie sie den komplizierter und aufwändiger werdenden Aufgaben angemessen wäre. Im Wesentlichen muss mit dem gleichen Bestand an Mitarbeitern unvergleichlich viel Größeres geleistet werden an Aufgaben. Damit geht einher, dass viel zu wenig neue Mitarbeiter/innen eingestellt werden, die Stadt eine niedrige Ausbildungsangebot hat von nur 5 %, die Altersstruktur der Beschäftigten bei der Stadtverwaltung und in den Eigenbetrieben steigt weiter, was eine große Zerreißprobe bedeutet.

Eine Schlüsselfrage und –kriterium ist, dass Sie in der ganzen Debatte sämtliche Anträge von AUF abgelehnt haben:
Die Anträge zur wachsenden Umweltproblematik abgelehnt!
Alle Anträge, dem Sprengsatz durch die Flüchtlingspolitik vorausschauend gute solidarische Politik zu machen – abgelehnt!
Sämtliche Vorschläge zur Ausweitung der substanzerhaltenden Maßnahmen auf dem nötigen Niveau - abgelehnt.
Anträge, entsprechend einem demokratischen Grundverständnis, dass auch Kritiker der eigenen Politik einigermaßen angemessen für ihre Arbeit ausgestattet werden – abgelehnt!
Selbst Vorschläge, Geld einzusparen wie die 30.000 € für das blödsinnige „Verrichtungsgelände“ - abgelehnt.
Vorschläge des Protestes, dass immer die kleinen Leute steuerlich belastet werden und die damit verbundene Forderung, dass der Gewerbesteuershebesatz angehoben wird – abgelehnt.
Diese Liste ließe sich noch länger fortsetzen.

Es steckt eine durchgängige Arroganz und Überheblichkeit in diesen Ablehnungen. Herr Dr. Pruin hat das heute in seiner Rede sehr eindrücklich vorgeführt, die wirklich der Gipfel der Überheblichkeit und Selbstgerechtigkeit war. Bei Ihnen ist alles, was nicht Ihrer Richtung entspricht, „Gelsenkirchener Nonsens“; Forderungen, die Ihnen nicht in den Kram passen, werden als Fundamentalopposition abgekanzelt. Null Lernbereitschaft, Null Interesse an einer wirklichen Auseinandersetzung!

In dem Zusammenhang stelle ich Ihnen die Frage, ob Sie schon einmal darüber nachgedacht haben, warum die Zuschauertribüne immer dermaßen leer ist? Ich kenne viele Städte, in denen 100 bis 200 Zuschauer die Ratsdebatten verfolgen, und zwar nicht nur die Haushaltsdebatte. Warum sind es in Gelsenkirchen immer nur ein paar heldenhafte Zuhörer? Im Gespräch mit heutigen Zuhörern haben sie auf meine Frage sich geäußert, dass sie die Debatten schier unerträglich finden, die Überheblichkeit und Arroganz abschreckt.
Und warum ist die Beteiligung am Bürgerhaushalt so eingebrochen? Es ist in diesem Jahr nur noch die Hälfte der Vorschläge gemessen mit 2014, ich habe in ihren Reden nichts dazu gehört. Die Leute haben die Nase voll von dieser Politik und fast noch mehr von diesem Stil.

AUF reicht es nicht, wie es Herr Tertocha von den Grünen äußerte, „Duftmarken“ zu setzen und gleichzeitig Abstriche am Grundsätzlichen zu machen. Ein Haushalt muss sich auf die Lage und Probleme der Masse der Leute, der heutigen Probleme ausrichten. Wir haben Forderungen aufgestellt, die Brennpunkte des Kampfes dafür darstellen - für die Flüchtlinge, für die Jugend, für die Auszubildenden, für den Kampf um neue Arbeitsplätze. Ihr Krisenmaqnagment geht in die entgegengesetzte Richtung. Deshalb lehnt AUF ihn ab.“