150722 MontagsdemoGegen das schreckliche Massaker in Suruc/Türkei protestierten die Montagsdemonstranten entschieden. 28 Jugendliche wurden ermordet, über 100 verletzt. Das zeigt, dass der faschistische IS vor allem das befreite Gebiet von Kobané als Anschlagsort sieht und den Wiederaufbau und die Befreiung als Brennpunkt im Kampf um Demokratie und Freiheit attackiert. Die Montagsdemo hielt eine Gedenkminute für diese Jugendlichen und sprachen ihr herzliches Beileid an die Organisation und an alle Angehörigen aus. Die Kritik richtet sich auch gegen die Erdogan-Regierung, wer solche Kriegsverbrecher duldet oder unterstützt, gehört abgesetzt!

Hauptthema war wie angekündigt die Solidarität mit Griechenland. In der Kritik stand der Riesenjubel der Bundesregierung darüber, Reformen durchgesetzt zu haben. Allein schon der Begriff ist hier völlig fehlt am Platz: Es sind keine Verbesserungen für die Massen in Griechenland, sondern drastische Einschnitte und eine Erpressung! Der Renteneintritt wird auf 67 erhöht wird ähnlich wie in Deutschland, aber nicht wie bei uns Stück für Stück bis zum Jahr 2030, sondern bis 2022. Eine Mehrwertsteuererhöhung von 13 auf 23 % wurde durchgesetzt, damit wird auch der Tourismus immens hoch besteuert, Hauptwirtschaftszweig in Griechenland. Das trifft die Bevölkerung. Stefan Engel, MLPD: „Wenn alles 10 % teurer wird und du sowieso nichts hast, ist das eine Art der Volksenteignung. Die Mehrwertsteuer ist überhaupt die unsozialste Steuer. Wir sind solidarisch mit dem Kampf des griechischen Volkes gegen diese Abwälzung der Krisenlasten, wir kennen das auch, aus diesem Grund demonstrieren wir seit 11 Jahren hier gegen die Hartz- Gesetze, die Rente mit 67. Genau das Programm wird jetzt dort radikal durchgezogen, und deswegen ist es auch unser ureigenstes Interesse, diese Solidarität zum Ausdruck zu bringen.“

Kritisch diskutiert wurde am offenen Mikrofon die Rolle der Tsipras-Regierung, die vor einer Woche das Volk befragte, ob es diesen Maßnahmen zustimmt oder sie ablehnt, und nun diese so genannten Reformen angenommen hat. Das öffentliches Vermögen, Häuser, Häfen, Straßen, Bahnen usw. im Wert von 50 Milliarden € werden verscherbelt, sie kommen in einen Fond, der nicht von Griechenland geführt wird, sondern vom Ausland. Diese drakonischen Maßnahmen gingen besonders von Schäuble aus, der das Schreckensszenario eines vorübergehenden Grexit aufbaute, was Tsipras mit in die Knie zwang. Für das griechische Volk war das eine bittere Stunde und alles andere als eine freiwillige Vereinbarung.

Freunde aus Griechenland hatten der Montagsdemo geschrieben, so auch die griechischen Stahlarbeiter: „Die Dinge verändern sich schnell. In wenigen Tagen ist aus der neuen linken Regierung eine rechte Regierung geworden wie Nea Dimokratia und PASOK. Die Maßnahmen sind schlimmer als die vorhergehenden, und das griechische Volk wird es nicht aushalten, sie zu bezahlen. Ich fürchte sehr, dass wir sehr viele Opfer durch Selbsttötungen haben werden, (bis heute sind es 10.000 Menschen), viele weitere Obdachlose, die Arbeitslosigkeit wird steigen. Gestern hat die Polizei der linken Regierung übel eingeschlagen auf die Demonstrationen der Bewegungen, besonders die von PAME (Gewerkrschaftsorganisation) und KKE. Sie haben Tränengas eingesetzt und sie haben uns gejagt, damit wir von Vouli (Ortsteil in Athen) verschwinden, wo die Maßnahmen von EU, EZB und IWF angenommen wurden. Schon 2012 haben wir Euch gesagt haben, dass dieses Europa ein Europa der Banken ist. Und alle Völker werden die Opfer dieser Diktatur der Banken sein. Wir müssen alle zusammen widerstehen, jeder an seinem Platz.“

Eine Griechin wandte sich scharf gegen die Lügen, die über die Griechen verbreitet werden: „Mein Vater büßte von seiner Rente 400 Euro ein und bekommt noch 800 Euro. Davon leben in Griechenland aber oft eine, wenn nicht zwei Familien! Und die Vorwürfe der Steuerhinterziehung sind an den Haaren herbeigezogen: Wer Eigentum erwerben will, muss als erstes zur Steuerbehörde, ohne das kommt kein Kauf zustande, das sage ich aus eigener Erfahrung.“

Peter Reichmann hat sich eingehend mit der Entwicklung beschäftigt: „Wenn man sich das genau anschaut, erkennt man, dass der eigentliche Einbruch 2008-2009 kam mit der Weltwirtschaftskrise, damals gab es beim G 20 Gipfel die Vereinbarung, dass die Banken auf jeden Fall gerettet werden sollen. Die Massen sollen aufkommen für diese Schulden der Banken, was also platzt, ist dieses ganze kapitalistische System, und es hat nichts Spezielles mit Griechenland zu tun.“

Die Lage der Bevölkerung ist dramatisch. Dr. Willi Mast ist als Alllgemeinmediziner besorgt: „Es fehlt am nötigsten, an Medikamenten, an Verbandsmitteln. Es wurde vor kurzem noch eine große an Werbeaktion gemacht, Ärzte aus Griechenland abzuwerben, das ist eine Katastrophe, denn sie fehlen im eigenen Land. Das was eigentlich Menschenrecht ist, eine ausreichende gesundheitliche Versorgung, wollen sie jetzt auch noch kaputt schlagen. Ich glaube wir haben allen Grund diese Proteste zu unterstützen und auf die Straße zu gehen.“

Viele der Diskussionsteilnehmer haben wenig Verständnis für Tsipras, der sich beugte, entgegen einem Beschluss des Vorstands von Syriza. Damit stellte er sich gegen seine eigene Partei, schloss die Kritiker aus seinen Reihen aus, weil sie darauf bestanden haben, dass die Beschlüsse des Volkes umgesetzt werden. Das spricht auch für den ungeheuerlichen Druck, den die EU auf die griechische Regierung ausübt, eine glaubwürdige Regierung vorzuweisen, mit der man handeln kann. Stefan Engel: „Sie werden behandelt wie eine Kolonie des 19. Jahrhunderts, und ich muss schon sagen, das ist Imperialismus in Reinkultur, dagegen hilft auch kein Kniefall, da hilft nur ein Kampf, und wer kämpft, der kriegt auch die Solidarität.“

Was haben die Griechen gewonnen? Nach Meinungen am offenen Mikrofon: Nichts! 85 Milliarden Euro, von denen 50 Milliarden gebraucht werden, nur um die Schulden und Zinsen zu bezahlen die nächsten Jahre. 35 Milliarden für Investitionen – ein Gewinn? Nein! Bei den Investitionen redet die EU mit, was investiert wird, man kann voraussehen, dass dieses Programm nicht aus dieser Situation hinaus führt, sondern dass man dem internationalen Finanzkapital einen Markt sichert, zu günstigen Konditionen zu niedrigen Löhnen und Sozialabgaben, besten Investitionsbedingungen.

Was nun zählt, ist einerseits die Solidarität mit der Bevölkerung, mit ihren Streiks gegen diese Programme, wie sie die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes organisierte. Diese Proteste wurden von der Polizei, den Sondereinsatzkommandos der MAT niedergeprügelt. Eine äußerst traurige Entwicklung, die uns darin bestärkt: Wer gegen die Herrschenden kämpft, muss „Mumm in den Knochen haben“, der tut gut daran, sich nicht um parlamentarische Regeln zu kümmern, sondern nur darum, wofür man eigentlich gewählt wurde. Man darf sich keinen Illusionen hingeben, man könne durch Verhandlungen das internationale Finanzkapital in die Knie zwingen.

Ein regelmäßiger Montagsdemonstrant ärgert sich über die Meinungsmache in den Medien: „Man kriegt man ja eigentlich nur eine Gehirnwäsche, man muss schon selber informieren und selber eine Meinung bilden. Was ist das überhaupt für ein Europa, was haben wir davon? Da kommen Leute aus Rumänien, die in irgendwelchen Schlachthöfen für 23 Euro arbeiten müssen, das ist das Europa letztlich des Kapitals. Wir müssen davon ausgehen, dass Griechenland letztlich ein Testballon ist, wie weit kann man gehen - die Erhöhung der Mehrwertsteuer heißt letztendlich, die Leute haben von einer Stunde auf die andere 10 % weniger Geld. Die Sache sind dort noch viel teurer, du keine Milch für 0,60 €. Man kann davon ausgehen, dass so etwas wenn es wirtschaftlich nicht mehr gut läuft, auch hier kommen wird.“

Eine Opelanerin aus Bochum zieht ihre Schlüsse: „Das griechische Volk soll demoralisiert und ihm eine Niederlage beigebracht werden. Aber es geht auch um eine Botschaft an uns alle. Ich sehe auch Parallelen zu unserem Kampf und zu der Werksschließung in Bochum Opel. Es ist eben nicht nur so, dass gesagt wird, ihr könnt auf die Straße gehen soviel ihr wollt, wir machen trotzdem was wir wollen. Sie versuchen es so darzustellen, wenn ihr auf die Straße geht, dann überholt euch das Elend - weil ihr gekämpft habt, weil ihr gewagt habt aufzustehen, deshalb haben wir euer Werk geschlossen, deshalb haben die Banken zugemacht, weil es auf einmal eine linke Regierung gab, deshalb haben die armen Rentner nur noch 60 €. Und es kommt plötzlich die Heuchelei, das Mitleid für die armen Rentner, die nur noch 60 € haben, weil die böse Regierung die Banken geschlossen hat und das böse Volk auch noch mit Nein gestimmt hat. Uns wurde auch gesagt, ihr habt gegen die Erpressung gestimmt und deshalb wurde dieses Werk geschlossen . Dieses Werk wäre schon mindestens 20 Jahre zu hätten wir nicht so oft gekämpft! Und da kommt natürlich auf der einen oder andere und sagt, das Werk ist zu, was habt ihr denn jetzt damit erreicht? Ich sage: Der Grund ist doch, weil der Kampf noch nicht entschlossen, noch nicht lange genug, nicht konsequent genug war, dass man vielleicht gehofft hat, durch eine neue Regierung wird das Problem gelöst … Der Weg war genau richtig, er muss nur noch konsequenter und besser geführt werden.“